Goethes Faust – Der Tragödie erster Teil als Hör-Spiel

Zuerst haben wir uns ja schon gewundert, warum der Erfolg mit dem FAUST-Hör-Spiel so überwältigend war: Presse und Publikum, egal ob alt, jung, studiert oder interessiert, alle beglückwünschten oder dankten uns, ihnen den FAUST so nahe gebracht zu haben. Ich glaube, unser Geheimrezept bei dieser Produktion war, dass wir einen modernen, d.h. heutigen Erzählton haben und uns gleichzeitig nicht unter Druck setzten, den FAUST "ganz neu" und vor allem "ganz anders" auslegen zu müssen. Es ist doch so: was stört uns an den alten Aufnahmen? Der "Staub", das Pathos, der uns heute zu übertrieben erscheinende Ton. Was stört uns an heutigen Interpretationen? Die nicht mehr nachzuvollziehende Konzeption, das abgehobene, mit der Realität nicht mehr korrespondierende Theaterdenken vieler Regisseure. Ich habe eine schauspielerisch "konservative" Ausbildung genossen und verehre die ehemaligen Großen der Bühne, von denen viele junge Schauspieler heute nichts mehr wissen oder wissen wollen. Dadurch geht größtenteils das verloren, was man früher "Sprechkultur" nannte und ohne die ein klassischer Text nicht zu bewältigen ist. Ich nehme für mich in Anspruch, daß ich eine solche "Sprechkultur" beherrsche, aber auch mit dem heutigen Lebensgefühl zu verbinden weiß. Das gleiche gilt für Antjes Arbeit: viele Komponisten denken "um modern zu sein, muß ich Musik schreiben, die niemand mehr versteht" – außer natürlich seine Musikerkollegen von der Neuen Musik. Und daraus resultiert die Angst des Publikums vor moderner Musik. Antje hat hier Musik geschrieben, die wuchtig, geheimnisvoll und gleichzeitig modern ist und bei der es – trotzdem! – Spaß macht zuzuhören.
(Alexander Netschájew)

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