Sergej Prokofjew
Peter und der Wolf
Francis Poulenc
Babar, der kleine Elefant |
|
Alexander Netschájew erzählt zwei musikalische Märchen gespielt von Manfred Seewann
Hallo, ich möchte Euch eine Geschichte erzählen. Sie heißt Peter und der Wolf.
Es ist eine Geschichte mit Musik, und das ist gut so!
Denn ich kann Euch zwar erzählen, dass der Vogel, der in dieser Geschichte vorkommen wird, auf dem Baum sitzt und zwitschert, und ich kann Euch sogar sagen, was er zwitschert, aber wie er das tut – das kann Euch nur die Musik sagen:
Das musikalische Märchen Peter und der Wolf wurde von Prokofjew innerhalb einer Woche geschrieben. Am 15. April 1936 war der Klavierauszug fertig.
In Ihren Erinnerungen schreibt Natalja Saz, damals Intendantin des Moskauer Kindertheaters:
"Nach vier Tagen brachte Prokofjew den Klavierauszug des sinfonischen Kindermärchens Peter und der Wolf, dessen Text er selber geschrieben hatte. Er setzte sich ans Klavier. Der fuchtlose Peter, das lustige Vögelchen und besonders die dumme Ente sowie der brummige Großvater gelangten durch die Töne in fast sichtbare und fühlbare Gestalten. Und wenn auch in der Musik sowohl das Schnattern der Ente und das Heulen des Wolfes zu hören war – so war das nicht bloße Nachahmung, wie es so oft heißt, sondern Verdeutlichung.
Nicht die Musik soll dieses Märchen illustrieren, sondern das Märchen soll lehren, die Musik zu hören. Und was für eine wunderbare Musik! Wie großartig gelang es, den Märchenstoff mit dem Fluss der musikalischen Idee zu verbinden!
Im Nebenzimmer fand eine Versammlung des Kinderaktivs statt. Sergej Sergejewitsch wurde gebeten, herüberzukommen und das neuentstandene Werk noch einmal zu spielen.
Die Kinder hörten das musikalische Märchen mit unverminderter Aufmerksamkeit an. Den Schlussmarsch musste Sergej Sergejewitsch auf Verlangen der Kinder dreimal hintereinander spielen."
Im Sommer 1940 weilte Poulenc in Bive bei Freunden. Da kam eine seiner kleinen Nichten, die gerade zu Besuch waren, zu ihm ans Klavier, stellte das Buch Babar, der kleine Elefant von Jean de Brunhoff aufs Notenpult und bat ihn, diese Geschichte zu "spielen". Er fing an zu improvisieren und notierte jene Motive, die ihr gefielen.
Er gab das projekt aufgrund dringender Arbeiten auf, doch fünf Jahre später forderte ihn eben diese Nichte erneut auf, jene Geschichte zu "spielen". Und diesmal komponierte Poulenc, bis er vollendet hatte. So entstand L'Histoire de Babar, le petit éléphant für Kinder und Erzähler.
Vertonte Märchen mit Pianist Seewann und Schauspieler Netschájew im Sängermuseum
Ungemein charmante Geschichten
Die Distanz zum Publikum schnell überbrückt – Behutsame satirische Zuspitzung
Feuchtwangen – Das Feuchtwanger Sängermuseum wurde einen launigen Nachmittag lang zur virtuellen Arche Noah: Setzten sich doch der Pianist Manfred Seewann und der Schauspieler Alexander Netschájew bei ihrer nicht nur für Kinder gedachten Soiree doch mit zwei vertonten Tiermärchen auseinander, die zum Kernrepertoire des Genres zählen: Francis Poulencs "Babar, der kleine Elefant" (nach Jean de Brunhoff) und Sergej Prokofjews "Peter und der Wolf".
Die Konzertreihe, die traditionell Professor Peter Feuchtwangers alljährlichen Klavier-Meisterkurs begleitet, hat nicht zuletzt (auch) den Zweck, das am Piano Mögliche, Machbare aufzuzeigen. Was hier geschieht. Denn die (von den Komponisten selbst verantworteten) Klavierfassungen dieser normalerweise meist mit großem Orchesterapparat realisierten Stücke verlangen vom Pianisten extreme technische Sicherheit, verbunden mit Emphase für die Stimmungen, welche der Sprecher durch seinen bei beiden Werken oft melodamatisch mit der Musik verzahnten Part aufbaut.
Was bei weniger präsenten Protagonisten ein Risiko wäre, wird von Seewann und Netschájew als Chance begriffen und genutzt. Schneller, als Babar vom Dschungel in die Großstadt und wieder zurück gereist ist, schneller, als Peter den großen grauen Wolf gefangen hat, ist es dem traumhaft aufeinander eingespielten Duo gelungen, die Distanz zu großen und kleinen Zuschauern zu überbrücken, das Publikum in den Bann dieser ungemein charmanten Geschichten zu ziehen.
Freilich ist Alexander Netschájew ein Darsteller von Gnaden, der seine Figuren lebt, ihnen mit Humor und Verve Kontur verleiht. Netschájews Babar lebt mit seinen Freunden als liebenswerter Rabauke in einer heilen Dschungelwelt – bis Jäger seine Elefantenmutter töten und aus dem wildlebenden "Rotzrüssel" ein mondäner Großstädter mit eigenem Auto und eleganter Ausgehgarderobe wird.
Die sanfte Modernisierung und Ironisierung des Originaltextes, bei Poulenc bereits intendiert, erfährt bei Netschájew und Seewann behutsame satirische Zuspitzung: Eine Spur gravitätischer als nötig stemmt der Pianist etwa den Krönungsmarsch der Elefanten in die Tasten, kommentiert und illustriert facettenreich, wo jedes Wort zuviel wäre.
Noch dichter, noch konziser gelingt "Peter und der Wolf". Netschájew macht auch und vor allem aus den Nebenfiguren plastische Persönlichkeiten: Ein trotteliger Großvater ohne Zähne, eine näselig-nuschelige Ente und ein eher skurriler denn bedrohlicher Wolf, der vergebens nach dem frechen Vogel schnappt und herzliches Gelächter auslöst. Die intelligente, frische, temporeiche Adaption des bekannt Geglaubten macht Spaß. Und weckt Neugier auf die nächsten Projekte dieses Zweigespanns.
(Fränkische Landeszeitung, Hans von Draminski)
|