Antoine de Saint-Exupéry
Der kleine Prinz
erzählt und vorgelesen von Alexander Netschájew begleitet am Klavier von Antje Uhle
„Der Schauspieler Alexander Netschájew hat den kleinen Prinzen mitgebracht, jene von Antoine de Saint-Exupéry ausgedachte Figur, die das unsinnige Treiben der ,großen Leute’ mit reifer Kinderweisheit bloßlegt und ihren Körper einer eitlen Blume opfert. Doch der niedliche Goldschopf taucht hier nicht leibhaftig auf, nicht in Verkleidung mit Hopsasa und bunter Farbe. Netschájew hat sich für seine Ein-Mann-Version mit Buch und Bildern offensichtlich nicht aus rein ökonomischen Gründen entschieden: Sein sparsam eingesetztes Spiel läßt dem Text viel Raum und bringt dessen Poesie fast von allein zum Sprechen. Doch sie spricht naturgemäß leise, und man muß Ohren haben zum Hören, oder – wie es der kleine Prinz formulieren würde – ein Herz zum Sehen. Darum ist diese Veranstaltung für alle geeignet, die gerne die Herzen aufsperren.“
(Sabine Leucht, Süddeutsche Zeitung am 8. März 1999)
Alexander Netschájew ist Ensemblemitglied des Münchner Volkstheaters. Nach der Schauspiel-
ausbildung, die er mit 18 Jahren begonnen hatte, verbrachte er seine Anfängerjahre am Stadttheater in Würzburg. Engagements für klassische und moderne Theaterhauptrollen bei Tournee- und Sommerfestspielproduktionen sowie am Prinzregententheater München folgten. Daneben war er auch im Fernsehen zu sehen, z.B. in den ZDF-Serien „Derrick“ oder „Verkehrsgericht“.
Netschájews Leidenschaft aber gehört der Rezitation. Klassische Texte und Balladen gehören ebenso zu seinem Repertoire wie große Humoristen des zwanzigsten Jahrhunderts, z.B. Tucholsky, Heinz Erhardt und Loriot. Mehrere seiner Programme wurden mit renommierten Theaterpreisen bedacht, einige sind auch auf CD festgehalten.
Antje Uhle ist Preisträgerin der Stadt München und laut Joe Kienemann (Bayerischer Rundfunk) eine „Meisterswingerin“. Sie studierte am Richard-Strauss-Konservatorium Jazzklavier und bei Wilfried Hiller klassische Komposition – somit ist sie sowohl im Jazz als auch in der Klassik zu Hause. Netschájews Vortrag des „Kleinen Prinzen“ unterstützt sie einfühlsam mit teils improvisierten Klängen, teils mit Musik von
Maurice Ravel.
Antje Uhles kompositorisches und pianistisches Schaffen ist auf folgenden CDs dokumentiert: „Feidman in Bayreuth“ (pläne), „Majazztic Steps“ (MONS Records) und „Steingartenstille“ (Traurige Tropen/BR).
"Man sieht nur mit dem Herzen gut"
"Der kleine Prinz" mit Alexander Netschajew und Antje Uhle – besonderes Konzert auf Burg Guttenberg
Von Dorothee Roos
Neckarmühlbach. " Man ist zeitlebens für das verantwortlich, was man sich vertraut gemacht." – Wer kennt nicht diesen Satz, eine der Kernaussagen aus dem "Kleinen Prinzen" des Antoine de Saint-Exupéry? Und ist nicht der "Kleine Prinz" selbst ein Werk, das einem wirklich sehr "vertraut" erscheint, oft gelesen, vielleicht als Schulstoff behandelt? Dass einem dieses zauberhafte kleine Prosawerk noch einmal ganz neu gegenübertreten kann, fast wie aus dem Augenblick heraus entstanden, das zeigte ein besonderes Konzert auf der Burg Guttenberg am vergangenen Sonntag.
Der Schauspieler und Rezitator Alexander Neschajew brachte den (überaus zahlreichen) Zuhörern die Geschichte des Kleinen Prinzen auf eine Weise nah, die eine sehr kluge Beherrschung der expressiven Mittel verriet. Netschajew schlug einen eher leichthändigen, fast beiläufigen Erzählton an, der dennoch in sich sehr viele Abschattierungs- und Nuancierungsmöglichkeiten barg. Und in der Rollensprache der einzelnen Figuren zeichnete er die Charaktere gleichsam mit wenigen Strichen, aber um so einprägsamer und fasslicher nach, darin den berühmten Illustrationen Saint-Exupéry zum "Kleinen Prinzen" vergleichbar.
Antje Uhle am Klavier "untermalte" die Erzählung durch kurze Aus-Schnitte aus Klavierwerken des Spätimpressionismus und des klassischen Jazz, die manchmal für sich allein standen, manchmal sich auch direkt mit der Rezitation verbanden. Sie hatte mit Ravel und Ibert französische Zeitgenossen Saint-Exupérys ausgewählt; Billy Strayhorn, der Pianist Duke Ellingtons, stand für das amerikanische Exil des Dichters während der deutschen Besetzung Frankreichs (der "Kleine Prinz" erschien 1943 in New York). Dabei hütete sie sich, den Text bloß zu illustrieren oder zu verdoppeln; die Musik behielt – trotz ihrer durchaus "dienenden" Funktion – ihren Eigenwert.
Und so nahmen wir Teil an der glücklich-unglücklichen Liebe des kleinen Prinzen zu seiner Rose, diesem kapriziösen Wesen, um dessentwillen er seinen Heimatplaneten verlässt, an seiner Reise durch den Weltraum mit seinen merkwürdigen Planetenbewohnern (die letztlich aber sehr "irdisch" wirken), bis der Prinz schließlich in der Wüste landet, um die Bekanntschaft des Fuchses und schließlich des Erzählers zu machen.
Ach ja, die Rose! Wie sie ihre vier Dornen aufstellt, um den "Tigern" zu trotzen und natürlich vor allem dem Kleinen Prinzen zu imponieren – welch müde Blasiertheit, welche Herablassung wusste Alexander Netschajew in seinen Stimmklang und in eine einzige Handbewegung zu legen, ohne doch die Rose einfach nur bloß zu stellen … Denn sie ist ja das geliebte Wesen, das der Prinz sich vertraut gemacht hat, wie der Fuchs ihn lehrt. Sie unterscheidet sich von allen anderen königlichen Blumen aus den Rosengärten des Universums dadurch, dass durch die "Zähmung" sich eine Beziehung auf Gegenseitigkeit aufgebaut hat. So bringt die Liebe sich durch den Akt des "Vertrautmachens" selbst hervor, und mit ihr sind – bei allen konkreten Schwierigkeiten der Beziehung – Freude und lebenslange Verantwortung für den anderen verbunden. All dies vermag man aber nur "mit dem Herzen" zu sehen, denn "das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar". Dass diese Kunst nicht jeder versteht, schon gar nicht die immer so vernünftigen "großen Leute", hat der Prinz auf seiner Fahrt zur Genüge erfahren.
All dies war uns vertraut, vielleicht schon fast zu sehr – und doch klang es neu und unverbraucht durch die große Kunst des Rezitators und seiner Partnerin am Klavier. Der eher sanfte Klang des Guttenberger Flügels passte gut zu den Arpeggien, den manchmal nur kurz herausgegriffenen oder schwebend in der Luft abgebrochenen Motiven und musikalischen Phrasen. Doch auch die Härten der Geschichte traten im Spiel hervor, Alexander Netschajew und Antje Uhle waren weit davon entfernt, die kindlich-weise Utopie des "Kleinen Prinzen" in Zuckerwatte zu packen. Gefährlich wie nie zuvor trat die Schlange an unser Ohr – und dass der kleine Prinz am Ende durch sie den Freitod wählt, um zu seiner Rose zurückgelangen zu können, hatten wir vielleicht sogar vergessen oder verdrängt. Am Schluss stand daher so etwas wie Trauerarbeit, die wir mit dem Erzähler teilten. Allerdings knüpft sich an sie die Hoffnung, dass die tote Hülle des kleinen Prinzen in der Wüste eben nur das Äußere sei. Mit dem Herzen gesehen, ist sie nur ein Gleichnis, wie alles Vergängliche. Das Wesentliche bleibt unsichtbar.
Das Publikum bedankte sich bei den jungen Künstlern mit sehr freundlichem Beifall – eine Zugabe verbot sich indes von selbst. Diese neue Konzertform war für den Rahmen der Burgkonzerte auf dem Guttenberg durchaus ein Experiment; sein Gelingen ermutigt vielleicht zu weiteren kleinen "Grenzüberschreitungen".
(RNZ – Mosbacher Nachrichten 13.11.2001
Rhein-Neckar-Zeitung)
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