Joe Kienemann, Bayerischer Rundfunk:
Es werden wohl an die 100.000 neue Alben gewesen sein, in die ich als Musiker oder Radio-Jazz-Onkel oder einfach privat aus Interesse und Neugier hineingehört habe. Zu den paar Dutzend davon, die mich ganz besonders überzeugt und fasziniert haben, gehört Majazztic Steps des Antje Uhle Trios.
Drei der edelsten "Young Lions" der Münchner Szene haben hier zusammengefunden. Drei der stärksten jungen Musikerpersönlichkeiten sind sich einig geworden über die Klangarchitektur der jüngsten von ihnen: der Bassist und Cellist Henning Sieverts, Jahrgang '66, europaweit ebenso einer der Gefragtesten wie sein Triokollege, der Schlagzeuger Guido May, Jahrgang '69, und die Bandleaderin am Klavier, Antje Uhle, Jahrgang '73.
1996, nach Abschluß ihres Klavierstudiums am Richard-Strauss-Konservatorium, schrieb Antje Uhle unter anderem Musik für Giora Feidmans CD "Lilith", erhielt einen Kompositionsauftrag vom Kulturkreis Gasteig für ein Stück für vier Schlagzeuger und ein Stipendium für junge Komponisten von der Stadt München. Im selben Jahr kommt es zur Bildung dieses Trios, in dem sie in kongenialer Dreisamkeit ihre außergewöhnliche musikalische Intelligenz, aber auch emotionale Tiefe in eine ganz eigenständige Kreativität einfließen läßt, deren Ausgeschlafenheit und Reife mir geradezu sensationell erscheinen, sei es als Komponistin oder als improvisierende, also letztlich spontan komponierende Pianistin.
Dieses Debutalbum dokumentiert eine faszinierend ideenreiche und farbenfrohe Trioklangwelt von kindlich-verspielt bis gewichtig einherschreitend, mal melodiös sanft, mal geradeaus swingend; Charlie Parkers "Au privave" wird sogar zum Funk-Bopper umfunktioniert. Trotz immenser Vielfalt fügt sich trefflich ein Stück zum anderen. Entstanden ist ein Plattenwerk von homogener Atmosphäre, ein prächtiges rundes Klanggebäude, aus dem vier Miniaturen Antje Uhles wie kleine Gucklöcher Ausblicke auf noch unbestellte fruchtbare Felder und Ahnungen von künftiger reicher Ernte dieses Weltklasse-Dreigespanns zulassen.
Die Bandleaderin erweist sich heute schon als geniale Dramaturgin der pointenreichen langen Melodiegedanken, als Magierin bei der Schaffung spannungsgeladener Zwischenräume und Pausen, in denen dem Zuhörer das Warten zur Vorfreude gerät, und als Tastenartistin, der zwischen energiegeladener Spielfreude und lyrischster Innigkeit alle Ausdrucks- und Kommunikationsmöglichkeiten zu Gebote stehen.
Daß der jungen Meisterswingerin Antje Uhle das alles mit einer unglaublichen Gelassenheit und Abgeklärtheit gelingt, bringt sie bereits jetzt in die Nähe wahrer Größe.
Mit Musik Geschichten erzählen
Antje Uhle stellt ihr neues Programm "Majazztic Steps", begleitet von zwei Kollegen, in Tutzing vor.
Am Samstag tritt das Antje Uhle Jazz-Trio auf der Rathaustenne auf. Nachdem sich die Pianistin anlässlich der Goethe-Nacht im November 1999 mit ihren "Faust"-Variationen solistisch präsentiert hat, wird sie jetzt ihre musikalische Vielseitigkeit im Kontext einer Band beweisen.
SZ: Frau Uhle, wie haben Sie den Jazz für sich entdeckt und welchen äußeren Einflüssen fühlen Sie sich rückblickend dabei verpflichtet?
Antje Uhle: Mit dem Jazz bin ich mehr oder weniger aufgewachsen. Mit acht Jahren habe ich schon Boogie gespielt, mit vierzehn war ich Mitglied der Schul-Bigband. Wichtig waren damals natürlich immer persönliche Vorbilder: der erste Jazzlehrer, die älteren Schüler und vor allem mein späterer Lehrer Larry Porter, von dessen Unterricht ich noch heute zehre.
SZ: Sie haben 1992 am Richard-Strauss-Konservatorium mit dem Studium Jazzpiano und klassisches Klavier begonnen. Sind Sie der Auffassung, dass man Jazz in Form von Studiengängen erlernen kann?
Antje Uhle: Man kann sehr viel über Jazz theoretisch lernen. Das Hören und selbst ausprobieren ist aber der allerwichtigste Teil. Leider sind die meisten Studiengänge zu einseitig und gehen viel zu wenig auf die Bedürfnisse des einzelnen Studenten ein.
SZ: Es gab Kurse, die Sie bei den nicht ganz unumstrittenen Koryphäen des Jazz belegt haben, wie Wynton Marsalis oder Mulgrew Miller. Was haben Sie hier gelernt, wie haben Sie diese Stars ganz persönlich erlebt?
Antje Uhle: Ich habe von ihnen mehr Vertrauen in die Entwicklung meiner individuellen Art zu spielen bekommen.
SZ: Seit einigen Jahren treten Sie in unterschiedlichen Projekten auf. Es gibt das Hör-Spiel "Faust" mit Alexander Netschájew, Sie begleiten Andreas Harwath in seinem juristischen Kabarett "Nichts als die Wahrheit", haben für Lieder- und Theaterabende geschrieben. Was verbindet Sie mit dem gesprochenen, dem gespielten Wort?
Antje Uhle: Zum einen liebe ich es, mit Musik Geschichten zu erzählen, zum anderen wird Theatermusik gerade da sehr spannend, wo sie etwas auszudrücken vermag, was man nur zwischen den Zeilen lesen kann, unmittelbarer als das Wort. Außerdem gibt einem diese Form der Arbeit sehr konkrete Aufgaben, wie das Transportieren einer ganz bestimmten Stimmung, und es ist spannend, dabei keine Klischees zu benutzen, sondern dem eigenen Stil treu zu bleiben.
SZ: Am 17. Februar sind sie mit Ihrem Jazztrio in Tutzing zu Gast. Wie ist die Besetzung, welche Art von Musik werden Sie spielen?
Antje Uhle: Ich werde mit zwei herausragenden Musikern aus Berlin spielen,dem Bassisten Andreas Henze, dessen Einfühlungsvermögen in den sehr unterschiedlichen Programmpunkten mich vom Beginn unserer Zusammenarbeit an begeistert hat und Michael Griemer am Schlagzeug, der aus seiner aufregenden Sammlung von Klangerzeugern und Schlaginstrumenten so witzige und aberwitzige Solos und Grooves zaubert, dass sich schon deshalb der Weg lohnt.
Interview: Jörg Konrad
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