"Dein Schwert, wie ist's von Blut so rot?"
BALLADEN von Brecht bis Brahms
Mit Alexander Netschájew (Sprecher) und Manfred Seewann (Klavier)
Bekanntes, z.B. Fontanes "Brück' am Tay"
Besonderes, z.B. Melodramen von Robert Schumann
Wohlklingendes, z.B. Klavierballaden von Franz Liszt und Johannes Brahms
Schockierendes, z.B. Herders "Edward" oder Brechts "Legende vom toten Soldaten"
Alexander Netschájew und Manfred Seewann wählten für ihre erste Zusammenarbeit die Ballade – nach Goethe das "Ur-Ei der Dichtung". Einerseits gibt sie beiden Künstlern Raum für solistische Darbietungen, hauptsächlich aber eröffneten sich viele Möglichkeiten zum Zusammenspiel: so schmückten sie z.B. Goethes "Zauberlehrling" mit Musik aus, denn der unfähige Lehrling, der am Ende die Geister, die er rief, nicht mehr los wird, hat ja vom Dichter seinen Text bekommen – aber der Besen? Also schlüpft Seewann musikalisch in die Rolle des Besens und macht damit Zauberlehrling Netschájew das Leben schwer! Und die Erkenntnis? Balladen machen Spaß. Und wie!
Alexander Netschájew macht keine leeren Worthülsen, sondern entdeckt die Menschen, die in den Texten stecken. (Münchner Merkur)
Manfred Seewann entwickelt eine große dynamische Spannweite und verblüffende technische Brillanz. (Süddeutsche Zeitung)
Gelungener Balladenabend auf Burg Guttenberg
Greifbare Spannung durchzog den Salon
Von Traudl Stocker
Warum kam man auf Burg Guttenberg nicht früher auf den Gedanken, auch unvertonte Balladen mit unterlegter Musik als einheitliche Kunstform dem Publikum vorzustellen?
Den jungen Künstlern Alexander Netschájew (Rezitation, Schauspiel) und Manfred Seewann (Klavier) gelang dies in solch überzeugender Weise, daß die von ihnen erzeugte Spannung fast greifbar den Salon durchzog.
Goethes "Zauberlehrling" (Musik: Paul Dukas), darstellerisch etwas zu dick aufgetragen, leitete über zur grausigen Vatermord-Ballade "Edward" (Herder), wobei die teils düstere Akkordik der Brahms-Ballade zum selben Text die Dramatik der Bluttat verstärkte.
Schillers "Handschuh", Hebbels "Schön Hedwig", mit gleichnamiger Schumann-Ballade und Goethes Vier-Stophen-Werk "Vor Gericht" fanden dank der kompetenten Gestaltung großen Anklang. Schuman ließ sich 1852 von Hebbels "Heideknaben" zur Vertonung dieser melodramatischen Ballade anregen, und beide Künstler formten diesen tönenden Alptraum zum gnadenlosen Thriller aus.
Rezitatorisch war indes "Der furchtlose Barbier" (Chamisso) eher vergnüglich, denn der Lehrling, der es sich trotz drohender Erdolchung (falls Blut fließe) zutraute, den hohen Herrn zu rasieren, schockierte ihn zuletzt mit dem Bekenntnis, er hätte ihm sogleich die Kehle durchgeschnitten, bevor er zum Dolch greifen könnte.
Doch weder der "Traurige Mönch" (Lenau/Liszt) noch "die Brück' am Tay" (Fontane, unterlegte Musik: Rachmaninow, Hindemith) machten so betroffen wie Bertolt Brechts Moritat "Der Kinderkreuzzug" (Musik: Jörn Hinke), der im Zweiten Weltkrieg in Polen beginnt.
Brechts unpathetische Schilderung, wie eine Elfjährige ein Kind von vier Jahren schleppt, ein kleiner Jude, ein Nazikind zu den Fünfundfünfzig gehören und ein mitlaufender Hund aus Mitleid nicht geschlachtet wurde – er wird später mit einem umgehängten Hilferuf-Plakat losgeschickt – das übertraf alles Vorangegangene, ging unter die Haut.
Manfred Seewann bot zwischendurch effektvolle Klaviersoli: Liszts konzertante Ballade h-Moll, subtil in den lyrischen Passagen, mit großer Geste in den orchestralen Dimensionen gespielt, sowi die oft zu hörende Ballade g-Moll, op.23., von Chopin.
(Heilbronner Stimme)
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